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FROHEVENT im Spiegel der Presse:

In der Rikscha
durchs Städtle



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Seit Mai gibt es in Bönnigheim einen Rikscha-Service. Jürgen Nagelschmidt fährt bei Festen oder besonderen Anlässen Gäste durch die Ganerbenstadt. Am morgigen Sonntag ist er im Auftrag unserer Zeitung: Von 11.00 bis 17.00 Uhr können sich die Besucher kostenlos von ihm chauffieren lassen. Die Haltestelle für eine solche ungewöhnliche Fahrt finden die Gäste des Bönnigheimer Weinachtsmarktes, der von der Interessengemeinschaft der Selbstständigen organisiert wird, am Eingang des Bönnigheimer Schlosses. Die Idee für seinen Rikscha-Service hatte der 43-jährige Diplom-Sozialpädagoge und Bassist der Band "Straight On", im Sommer vergangenen Jahres als er sich ein solches Gefährt auslieh, um seine Frau Sylvia zum Standesamt zu fahren. Die Bönnigheimer Fahrradrikscha wird aber nicht allein mit Muskelkraft betrieben: An der Vorderradnabe ist ein Elektromotor angebracht, der bei Bedarf zugeschaltet werden kann. Der Ursprung des Gefährts liegt in Asien und wurde als "jin-riki-sha", als "Mann-Kraft-Maschine" bezeichnet. Wer genau die Rikscha erfunden hat, darüber lässt sich nur spekulieren. Die wahrscheinlichste von mehreren verbreiteten Versionen berichtet davon, dass etwa um das Jahr 1860 der in Japan tätige amerikanische Baptistenmissionar Jonathan Gable die Gewissensbisse seiner invaliden Frau leid war. Ihr wurde es zunehmend unerträglich, sich von den ausgemergelten kleinen Männern in einer Sänfte durch die Straßen Tokios tragen zu lassen. Es war die geniale Idee des einfallsreichen Missionars, den Sänftenkasten auf eine großrädrig bestückte Achse zu stellen. Mit Hilfe langer Holmen konnte das Vehikel nicht nur in der Balance gehalten, sondern auch unter vertretbarem Kraftaufwand gezogen werden. Die Jinrikscha war erfunden und eroberte binnen weniger Jahrzehnte von Tokio aus den gesamten Fernen Osten. Von Japan ausgehend gelangte die Rikscha wohl 1874 zunächst in die chinesische Hafenstadt Shanghai, wo das neuartige Gefährt als "Tung-yang che", als japanischer Wagen, bekannt wurde. Ebenfalls sehr früh erreichte die Rikscha Hongkong. 1880 tauchten die ersten Rikschas in Simla, der vizeköniglich-britischen Sommerfrische in den Himalaya-Vorbergen Indiens auf. Bis zur Jahrhundertwende hatte die Rikscha als Nahverkehrsmittel auch die großen Städte des Indischen Subkontinents, vor allem aber Kalkutta, erobert. Hier war die Rikscha von der chinesischen Gemeinde der Stadt eingeführt worden, um damit Güter zu transportieren. Doch schon bald beantragten die in Kalkutta lebenden Chinesen bei der Stadtverwaltung eine Lizenz für die Personenbeförderung mit diesem neuartigen Transportmittel - sie wurde 1914 erteilt. Kalkutta ist heute die einzige Stadt in Indien und mit Ausnahme des Sonderfalles Madagaskar wohl weltweit, wo die von Männern gezogenen Rikschas noch verkehren dürfen. Revolutioniert wurde die Rikscha, als findige Köpfe in den 1930er-Jahren den Rikschafahrer auf ein Fahrrad setzten. Mit dieser Erfindung konnten nicht nur größere Mengen an Gütern und mehr Fahrgäste transportiert, sondern auch weitere Wege zurückgelegt werden. Diese Trishaws verdrängten in den nachfolgenden Jahrzehnten fast über all die eigentlichen Rikschas. Seit den 1980er-Jahren werden sie selbst allerdings von motorisierten Autorikschas, den Tuk-Tuks oder Threewheeler, von den Straßen Asiens verdrängt.

Foto: Helmut Pangerl, Quelle: "Bietigheimer Zeitung"
Auszüge eines Artikels vom: 27.11.2004 von Ines Schmiedl-Dostler